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Geplante Bewegungen werden im Gehirn anders verarbeitet als spontane Reaktionen

Studie an Rhesusaffen beleuchtet die Rolle der an der Bewegungsplanung beteiligten Hirnregionen
An der Startlinie können die Läufer ihre ersten Schritte planen, beim Sturz eines Teilnehmers müssen sie spontan reagieren. Foto: Julien Crosnier /KMSP / DPPI
Signale auf dem Monitor zeigen an, welche Bewegungen ausgeführt werden sollen. Zunächst soll das Tier den roten Kreis in der Mitte anschauen (Fixationspunkt). Ein grüner Kreis kündigt dann einen Kraftgriff an, ein weißer Kreis einen Präzisionsgriff. Dieser darf jedoch erst dann ausgeführt werden, wenn der rote Kreis erlischt. Dies geschieht entweder sofort oder nach einer Wartezeit von Null bis 1300 Millisekunden. Für jede richtige Bewegung wird das Tier mit einem Tropfen Fruchtsaft belohnt. Abbildung: Benjamin Dann
Signale auf dem Monitor zeigen an, welche Bewegungen ausgeführt werden sollen. Zunächst soll das Tier den roten Kreis in der Mitte anschauen (Fixationspunkt). Ein grüner Kreis kündigt dann einen Kraftgriff an, ein weißer Kreis einen Präzisionsgriff. Dieser darf jedoch erst dann ausgeführt werden, wenn der rote Kreis erlischt. Dies geschieht entweder sofort oder nach einer Wartezeit von Null bis 1300 Millisekunden. Für jede richtige Bewegung wird das Tier mit einem Tropfen Fruchtsaft belohnt. Abbildung: Benjamin Dann
Diese Abbildung zeigt die Aktivität von Nervenzellengruppen im Gehirn bei der Ausführung eines Kraftgriffs. Während der Planungsphase unterscheiden sich die Aktivitätsmuster abhängig von der Wartezeit (hellblau: lange Wartezeit, dunkelblau: kurze Wartezeit), während der Ausführung der Bewegung gibt es keine signifikanten Unterschiede. Abbildung: Benjamin Dann, CC-BY-NC-ND 4.0 International license
Diese Abbildung zeigt die Aktivität von Nervenzellengruppen im Gehirn bei der Ausführung eines Kraftgriffs. Während der Planungsphase unterscheiden sich die Aktivitätsmuster abhängig von der Wartezeit (hellblau: lange Wartezeit, dunkelblau: kurze Wartezeit), während der Ausführung der Bewegung gibt es keine signifikanten Unterschiede. Abbildung: Benjamin Dann, CC-BY-NC-ND 4.0 International license
Dr. Benjamin Dann, Wissenschaftler in der Abteilung Neurobiologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Karin Tilch
Dr. Benjamin Dann, Wissenschaftler in der Abteilung Neurobiologie am Deutschen Primatenzentrum. Foto: Karin Tilch
Dr. Jonathan A. Michaels war bis 2017 Wissenschaftler in der Abteilung Neurobiologie am Deutschen Primatenzentrum und ist jetzt Wissenschaftler im „Neural Prosthetics Systems Lab“ an der Universität Stanford in Kalifornien. Foto: Karin Tilch
Dr. Jonathan A. Michaels war bis 2017 Wissenschaftler in der Abteilung Neurobiologie am Deutschen Primatenzentrum und ist jetzt Wissenschaftler im „Neural Prosthetics Systems Lab“ an der Universität Stanford in Kalifornien. Foto: Karin Tilch

Die Läufer stehen aufgereiht an der Linie, gebannt warten sie auf das Start-Signal zum 1000-Meter-Lauf. In der zweiten Kurve passiert es, ein Läufer stürzt, fällt seinem Nachbarn direkt vor die Füße. Dieser kann gerade noch ausweichen und sprintet weiter Richtung Ziel. Beim Warten auf das Startsignal hatte der Läufer Zeit, seine ersten Schritte zu planen, beim Ausweichen musste er sofort reagieren. Bisher war nicht bekannt, wie sich die Gehirnaktivität bei geplanten und unmittelbaren Bewegungen unterscheidet. Wissenschaftler vom Deutschen Primatenzentrum – Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) konnten in ihrer jetzt veröffentlichten Studie an zwei Rhesusaffen zeigen, dass geplante und unmittelbare Greifbewegungen zwar während der Bewegungsausführung auf gleiche Weise im Gehirn verarbeitet werden, dass sich die vorhergehenden Aktivitäten im Gehirn jedoch unterscheiden. Dies hilft zu verstehen, was im Gehirm passiert wenn wir Bewegungen planen und sie nicht direkt ausführen – eine wichtige Erkenntnis, die in Zukunft etwa für klinische Rehabilitationsmaßnahmen hilfreich sein kann.

Die Neurowissenschaftler Benjamin Dann und Jonathan Michaels vom Deutschen Primatenzentrum in Göttingen haben zwei Rhesusaffen darauf trainiert, bei Erscheinen eines Signals eine Greifbewegung auszuführen. Je nachdem, ob ein grüner oder weißer Kreis auf einem Bildschirm erschien, sollten die Tiere einen Kraftgriff mit der ganzen Hand oder einen Präzisionsgriff mit zwei Fingern machen. Die Bewegung durften sie aber erst dann ausführen, wenn ein weiterer, roter Kreis, vom Monitor verschwunden war. Im Gehirn musste also zunächst entschieden werden, welche Art der Bewegung ausgeführt werden soll (Kraft- oder Präzisionsgriff) und dann das Signal abgewartet werden, bis die Bewegung tatsächlich ausgeführt werden durfte. Diese Wartezeit wurde von Null bis 1,3 Sekunden variiert.

Um das Zusammenspiel von Planung und Bewegung im Gehirn systematisch zu untersuchen, haben die Wissenschaftler die Aktivität von Nervenzellengruppen in zwei verschiedenen Gehirnregionen gemessen, die für die Generierung und Durchführung von Greifbewegungen zuständig sind. Je nachdem, wie lang die Wartezeit war, bis die Tiere die angezeigte Bewegung durchführen durften, veränderte sich die ursprüngliche Aktivität der Nervenzellengruppen beider Areale hin zu einem Planungszustand. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass beim Planen einer Bewegung nicht einfach nur die notwendige Nervenzellen-Aktivität im Gehirn zur Durchführung einer Bewegung beibehalten wird, sondern dass ein neuer Aktivitätszustand für Bewegungen aus dem Kurzzeitgedächtnis existiert“, sagt Benjamin Dann, einer der beiden Hauptautoren der Studie. Diese Erkenntnisse könnten dazu beitragen, Rehabilitationsmaßnahmen für Patienten zu entwickeln, die beispielsweise nach einem Schlaganfall oder einer Tumoroperation Probleme mit der Planung und Initiation von Bewegungen haben. „Wenn wir verstehen, wie genau das Gehirn bei Planung von Bewegungen arbeitet, können motorische Beeinträchtigungen in Zukunft gezielter behandelt werden“, sagt Benjamin Dann.

Originalveröffentlichung

Jonathan A Michaels, Benjamin Dann, Rijk W Intveld and Hansjörg Scherberger: Neural dynamics of variable grasp movement preparation in the macaque fronto-parietal network. Journal of Neuroscience 24 May 2018, 2557-17; DOI: https://doi.org/10.1523/JNEUROSCI.2557-17.2018